Als ich hörte, dass wir nun für mindestens 2 Wochen in den Lockdown sollen, dache ich an ein paar triste Stunden vorm PC. Ich kenne das bereits, von den Facharbeitern in der der Abendschule. Zoom Meetings sind dort an der Tagesordnung. Um mit den Lehrinhalten weiterzukommen, steht Frontalunterricht oft an der Tagesordnung. Selten bewegt man sich dort in den Break Out Room, um sich gegenseitig auszutauschen.
Tja, dann starten wir am ersten Montag mal los mit „Gartenbau“. Adventkranzbinden steht am Plan. Ich treffe die Mädels fröhlich und gut gelaunt bei mir zuhause virtuell am PC. Jede die im Vorhinein kopierte Beschreibung und den Strohkranzrohling bereits in der Hand, startklar sozusagen. Ich bremse sie allerdings noch ein wenig ein. Möchte ich doch vorher noch etwas graue Theorie durch machen. Wir besprechen den gärtnerischen Ablauf der Barbarazweige, das Andrahten der Kerzen und eben den systematischen Vorgang beim Adventkranzbinden. Dazu folgt ein Video. Dann verabschieden wir uns, ich weise die Mädels noch einmal darauf hin, dass ihre Aufgabe bis um 12.00 Uhr zum Erledigen ist. Bei Fragen sollen Sie mich anrufen. Ich bleibe am PC. 2h später – es blinkt erstmals, die erste Aufgabe wird eingereicht. Ich öffne ein Foto von einem wunderschönen Kranz, schreibe meiner Schülerin großes Lob. Bling, bling, bling – die nächsten Bilder trudeln ein. Ein paar Schülerinnen haben Hilfe erhalten, von zuhause. Ein schier schlechtes Gewissen überkommt mich, ich hätte ihnen auch gerne geholfen. Nur ist die Mama zur Seite, ruft man nicht die Lehrerin an. Versteh ich, dennoch bedanke ich mich. Wäre eigentlich meine Aufgabe.
Schnell eine Kleinigkeit kochen, sind auch bei uns Zuhause Kinder im Home Schooling. Am Nachmittag wird dann ein Zettel an die Haustür geklebt: „Bitte nicht läuten, Unterricht!“ Aus Erfahrung weiß ich, dass ab 13.00 Uhr ständig jemand klingelt. Mein Jüngster wird in einer Siedlung mit zehn anderen Kindern groß. Da spielt sich das Leben am Nachmittag zwischen vielen großen Schneemännern und Schneeburgen im garten ab.
Ihn bei der Tür rausgesteckt, geht’s weiter mit „Ernährung“, der Teams Bildschirm füllt sich, vierunddreißig Schüler hat die Klasse. fünf Minuten durchzählen. Dann geht’s los mit den komplexen Kohlenhydraten. Eine PowerPoint habe ich mir bereits vorbereitet und ich beginne zu erklären. Die Entstehung des Nährstoffs funktioniert gut, die Einteilung der Kohlenhydrate wird schon spannender. Ich muss schmunzeln, die Schüler mühen sich ab, alle Fachbegriffe richtig auszusprechen. Erstmals denke ich mir: „Wären wir doch in der Klasse, ich könnte es einfach besser erklären wie hier am Bildschirm.“ Die Schüler kommen mir so weit weg vor, einfach nicht greifbar. „Die verstehen das jetzt nicht, ich bin zu weit weg.“ Die Verbindung wird just in diesem Moment schlechter, mein großer Sohn hat das Wlan Kastl in den oberen Stock befördert. Auch er ist auch im Home Schooling. Gut, dann schreibe ich zur Festigung des Stoffes einen Arbeitsauftrag, beenden wir heute ein paar Minuten früher. Irgendwie bin ich nicht ganz zufrieden.
In der darauffolgenden Marketing Stunde spielen wir eine Runde „Ich stell dich jetzt mal stumm, Frau Lehrer“, gibt es da doch einen Button, wo man jeden TN der Online Besprechung stumm stellen kann. Ein lustiges Spiel, nur Stoff bringt man weniger weiter. Ich erkläre meinen Schülern, dass ich Zeit hätte. Marketing ist heute mein letztes Fach, die Strunde wird beendet, wenn wir mit dem Stoff durch sind. Das wirkt. Tatsächlich entwickelt sich diese Stunde ncoh recht gut. Alle Aufgaben erfüllt.
Erster Tag vorbei. Ein schöner Tag: Großartige Werkstücke, das Gefühl von Zusammenhalt, Großteiles verstandene Lehrinhalte, Schüler, denen das Lachen angesichts der Situation noch nicht vergangen ist. Da kann man sich als Erwachsener tatsächlich etwas abschauen.
Ich bereite vor. Neue Stunden wollen geschrieben werden. „Nein, nicht wirklich wahr“ ertönt es neben mir. Mein ältester Sohn, auch Schüler unserer Schule, hat seinen nächsten Arbeitsauftrag bekommen. Das Fach „Ernährung und Haushalt“ beinhaltet vier Stunden im Jahr Arbeiten im Haushalt, auch für Landwirtschaftsschüler, nicht nur für Schülerinnen der BHM. „Mama, ich soll Fenster putzen und bügeln!“ Die Freude steht meinem Sohn ins Gesicht geschrieben. Ich kann mir ein Schmunzeln nicht verkneifen, hat sein Lehrer die Gunst der Stunde doch wirklich gut genützt: Die Jungs helfen heute mal der Mama zuhause im Haushalt. In der Vorweihnachtszeit eine schöne Aufmerksamkeit. Für die Jungs eine großartige Lebenserfahrung, alles Dinge, die man im Leben vielleicht auch mal brauchen kann. „Eine Schule fürs Leben“, denke ich mir als Mama, „das gefällt mir.“
Der Knüller des Tages allerdings kommt erst. Mein Sohn hat eine Doppelstunde Mathe. Maßeinheiten sind das Thema. Dauert nicht lange, steht er in der Küche und beginnt Mehl auszuwiegen. Auf meine Frage, was er da jetzt mache, antwortet er salopp: „Semmeln backen.“ „Er hat bereits in den vorhergehenden Lock Downs schon öfters zuhaue backen müssen, nur was hat das jetzt mit Mathe zu tun?“ frage ich mich. Bis ich seinen Angaben Zettel sehe. Geniale Sache, die Kinder müssen einen Weißbrotteig zubereiten, um alle Maßangaben in der Praxis umzusetzen! „Eine Hammer Idee“, denke ich mir. Und wieder: „Winklhof, einfach eine Schule fürs Leben.“
Lock Down, also „niederfahren“, das wurde in den letzten zwei Wochen nicht gemacht. Ich glaube, jeder Schüler hat gezeigt, was in ihm steckt: Selbstständigkeit, Zusammenhalt, Theoretisches in die Praxis umsetzen, Online Besprechungen gehören für einen Fachschüler 2021 zum Unterrichtsalltag. Hier wird exzellent aufgezeigt, was in einem zukünftigen Landwirt steckt. Werte, die seinesgleichen suchen. Dennoch ist die Freude groß, als ich höre, dass wir uns in der nächsten Woche wieder in der Schule und nicht am Bildschirm sehen. So gut es ist, dass Schüler und Lehrer in diesem Jahrhundert einen völlig neuen Weg gefunden haben, miteinander in Verbindung zu treten, das Leben am Winklhof fehlt dennoch.
Lockdown 4.0 – eine Schule fürs Leben
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